Mit zunehmendem Erschrecken stelle ich in letzter Zeit fest, dass immer mehr Menschen an einem Fernstudium für Psychotherapie teilnehmen. Ich verstehe natürlich den Wunsch, psychotherapeutisch zu arbeiten und Menschen auf Ihrem individuellen Weg in ein glückliches und von der Vergangenheit aufgearbeitetes Leben begleiten zu wollen. Meine tägliche Arbeit mit meinen Patienten erfüllt mich schließlich sehr. Ebenfalls weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wertvoll dieser Beruf ist und wünsche mir auch künftig ein großes Interesse am Berufsbild des Psychotherapeuten oder Heilpraktiker für Psychotherapie.
Praxiserfahrung
Warum jedoch bei dem großen Interesse keine fundierte Ausbildung vor Ort mit vielen, vielen Theorie- aber vor allem auch Praxisstunden in einem zertifizierten Institut absolvieren? Mit „echten“ Patienten und deren realen Themen, zusätzlichen Übungsabenden, in denen der künftige Heilpraktiker für Psychotherapie wiederum mit Patienten unter ständiger Supervision arbeitet? An einem Institut, an dem die eigene Psychotherapie Pflicht ist. In welcher man von einem erfahrenen Psychotherapeuten selber therapiert wird. So wird sichergestellt, dass man psychisch in der Lage ist, andere zu therapieren. Ebenso scheint es in Fernstudiengängen oftmals an der Vermittlung der Rechte, Pflichten und aber auch Grenzen der Heilpraktiker für Psychotherapie zu mangeln, wenn man sich den Stunden- und Lehrplan genauer ansieht oder sich mit Absolventen unterhält.
Wozu jedoch? Um Geld zu sparen? Um Zeit zu sparen? Weil man sich nicht traut, unter Menschen zu gehen? Alles Gründe, die niemals mit der Gesundheit der Patienten aufzuwiegen sind, mit denen wir schließlich arbeiten möchten.
Ein Fernstudium bietet eine theoretische Basis, die jedoch keinen Ersatz für Praxiserfahrung gewährt und erhebliche Mängel in der praktischen Arbeit in der Psychotherapie zur Folge hat. Es fehlt die Übung am Menschen. All die Theorie bringt wenig, wenn man nicht mit seinem Gegenüber schwingen kann. Wenn man keine gefestigte emotionale Basis hat, um sich abzugrenzen. Weil man keine Eigentherapie erfahren hat, um zu wissen, wie sich Therapie auf der anderen Seite anfühlt und wie heilsam sie ist. Oder weil es eventuell Angst macht, zu erfahren, dass man nicht so reflektiert ist, wie man dachte. Ich verstehe diese Angst, ich habe sie selbst erfahren und sehe sie in den Augen mancher Patienten. Möchte man aber seine Patienten in einer Psychotherapie begleiten und ermutigen, sich diesen Ängsten zu stellen, ist es von großem Vorteil, selbst auch schon diesen Weg gegangen zu sein. Um sich besser einfühlen, aber auch authentisch Mut machen zu können.
Ein gesundes Therapieverhältnis besteht aus einem Energieaustausch
Eine gute Ausbildung kostet Geld und Zeit. Beides verlange ich in meiner Arbeit auch meinen Patienten ab. Patienten, die mir ihr Vertrauen schenken und sich öffnen. Wenn ich eine gute Arbeit leisten will, muss ich auch das Maximum aus meiner Ausbildung herausholen wollen.
Ich habe im Gespräch mit Heilpraktikern für Psychotherapeuten erfahren, dass sie nach abgeschlossener (Theorie-)Ausbildung anhand eines Fernstudiums noch nie mit Patienten gearbeitet haben. Therapeuten, die noch nie selbst eine Psychotherapie in Anspruch genommen haben. Sogar schwere Depressionen sollen mit eigens entwickelten und angebotenen Online-Kursen geheilt werden, obwohl diese nur von psychologischen Psychotherapeuten/ Psychiatern behandelt werden dürfen (der Schweregrad einer Depression hängt von mehreren Faktoren ab. Eine Depression sollte immer im Gespräch mit einem Psychotherapeuten oder Hausarzt abgeklärt werden! Ein Selbsttest kann hierzu erste Klarheit bringen).
Deshalb ist es mir ein sehr großes Anliegen, Dir Tipps für die Psychotherapeutensuche mit an die Hand zu geben. Es kann eine Weile dauern, bis es „matcht“, aber die Suche ist es wert. Wichtig ist hierbei, worauf man bei der Psychotherapeutensuche achten sollte.
1.) Die Frage nach der Ausbildung
Ein Psychotherapeut hat entweder ein abgeschlossenes Psychologiestudium mit anschließender Ausbildung in Psychotherapie oder ist Mediziner mit zusätzlicher Psychotherapieausbildung, daneben gibt es noch Heilpraktiker für Psychotherapie. In jedem Fall sollte der Therapeut eine gute und fundierte Ausbildung mitbringen, in der er schon vielfach unter Supervision mit Klienten gearbeitet hat. In einer Supervision werden mit einem erfahrenem Psychotherapeuten die Patientenfälle unter Schweigepflicht besprochen. Hierbei wird beobachtet, ob der Psychotherapeut/ HP für Psychotherapie seine eigenen Themen geklärt hat, somit mit seinen Patienten arbeiten und diese therapieren kann. Hierbei liegt der Fokus auf Kompetenz, Werte und Normen, Gefühlen, Gedanken und Verhalten, etc..
2.) Die Eigenklärung
Psychologische Psychotherapeuten absolvieren im Laufe eines Psychologiestudiums mit anschließender Ausbildung bis zu 300 Eigentherapiestunden. Bei den Heilpraktikern für Psychotherapie ist eine geringere Anzahl von Stunden vorgesehen. Für eine gute Eigenklärung sollte ein Psychotherapeut/ HP für Psychotherapie selbst je nach Alter und Geschichte zwischen 100-300 Therapiestunden erfahren haben. Immerhin arbeitet ein Therapeut verantwortungsvoll mit Ängsten, Depressionen, Burnout, Trauer, Beziehungsproblemen… Da ist es unabdingbar, eine gute Selbsthygiene mitzubringen und auch im Berufsleben immer mal wieder auf die eigenen Themen zu schauen.
3.) Die Frage nach den Kosten
Ein Psychotherapeut/ HP für Psychotherapie verlangt im Austausch zu seiner Arbeit eine Gegenleistung seitens des Patienten. Gut ausgebildete Therapeuten arbeiten nicht ohne eine Gegenleistung, eine Wertschätzung- dies wäre ein Verstoß gegen die Berufsordnung für Heilpraktiker für Psychotherapie. Das führt zudem zu einer schiefen Therapeuten-Patienten-Beziehung und kann den Therapieprozess erheblich beeinträchtigen. Jedoch ist es in der Ausbildung durchaus üblich, dass lernende Psychotherapeuten nur eine Aufwandsentschädigung (Raumkosten, Fahrtkosten, etc.) verlangen. Somit hat man als Patient eine günstige aber durchaus gute Alternative zu langen Wartezeiten.
4.) Vergabe von Heilsversprechen
Psychotherapie wirkt bei jedem Patienten auf andere Weise und vor allem in anderen Zeitabständen. Eine Psychotherapie muss hierbei nicht das einzige Heilmittel sein. Psychotherapeuten sind grundsätzlich nicht dazu da, die Probleme ihrer Patienten für diese zu lösen. Eine solche Vorgehensweise nennt man psychologische Beratung. Ein Psychotherapeut hingegen begleitet Patienten vielmehr professionell auf dem Weg, sich selbst zu erfahren und die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Es ist eine heilsame Erfahrung für den Patienten, die Lösung und Klärung für seine Themen „selber, in sich“ zu finden und zu erarbeiten. Er ist für seine Patienten da und spiegelt, er bietet einen geschützten Raum und ein offenes, wertschätzendes Herz.
5.) Auf das eigene Gefühl hören
Es ist essentiell wichtig, dass Therapeut und Patient „sich riechen“ können. Das bestimmt den Therapieverlauf ungemein. Wenn Du ein komisches Gefühl im Bauch hast, dann kann es sein, dass der Therapeut vielleicht nicht der geeignete für Dich ist. Es ist bei einem gut geklärten Therapeuten keinesfalls ein Problem, Zweifel zu äußern und die Therapie vorzeitig zu beenden, solange man diese anderweitig fortsetzt. Ein Psychotherapeut ist geklärt, um mit solchen Situationen professionell und verständnisvoll umzugehen. Wichtig ist hierbei allerdings ein Abschlussgespräch, um mit dem Psychotherapeuten gemeinsam das weitere vorgehen zu besprechen und ein gutes Therapieende zu finden.
Ich hoffe, in diesem Artikel konnten wichtige Informationen vermittelt werden. Verstehe mich bitte nicht falsch, ich freue mich über jeden, der an sich und seiner Vergangenheit arbeiten will. Der etwas für seine psychische Gesundheit tun will. Dafür braucht es ja auch viele Psychotherapeuten. Ich möchte nur, dass Menschen gut therapiert werden und nicht Gefahr laufen, Ihre Symptome zu verschlimmern oder sogar durch eine „Therapie“ krank werden.